Der Kleine Geschrieben 5. April 2007 Teilen Geschrieben 5. April 2007 Um den bestehenden Thread nicht weiter zu verwässern und in Absprache mit Darth_Zeus mal einige Bemerkungen von mir (teilweise ziemlich einseitig betrachtet): Ist es nicht so, dass es Unternehmen "im Osten", durch Subventionen (Solidarzuschlag) besonders leicht gemacht wird? Im Gegenzug erwarten sie jedoch, dass Arbeitnehmer wegen der schlechten Infrastruktur und überhaupt in ihren Gehaltserwartungen (erhebliche) Abstriche machen. Und dieser Hammer wird noch in 20 Jahren funktionieren. 16 Jahre haben wir ja bereits ohne nennenswerte Fortschritte hinter uns. Merkwürdigerweise wird jedoch immer wieder darüber lammentiert, dass die Menschen "im Osten" abwandern. Wäre nicht ein ordentliches Gehaltsgefüge Anreiz genug zu bleiben? Vielleicht mal zur Richtigstellung: Solidaritätszuschlag wird in ganz Deutschland erhoben und in ganz Deutschland in wirtschaftlich schwachen Regionen verteilt. Wer in welcher Region davon profitiert (also wo die Gelder wirklich landen), ist sicher Diskussionswürdig. Ob die Infrastruktur wirklich schlechter ist, mag ich mal in Zweifel ziehen. Zumindest sind hier bisher (fast) alle Autobahnen in den letzten Jahren überholt, sind (fast) alle Telefonleitungen erneuert (manchmal so toll mit Glasfasern, das DSL nicht möglich ist), sind genügend Gewerbegebiete mit großem Leerstand vorhanden, sind überall kulturelle und verwaltungtechnische neue schicke Gebäude entstanden und ... (OK, genug der Verteidigung) Solange sich die Leute im Osten selber kleinreden, wird sich nichts Nennenswertes ändern. Ein Problem zwischen Sender und Empfänger auf der Kommunikationsschiene? Solange die Basis nicht klar und angepasst wurde, kann es IMO mit dem Reden und Verstehen nichts werden. (Siehe weiter unten dazu) Ich glaube nicht das die Leute im Osten abwandern weil sie weniger Verdienen (Die kosten sind ja i.d.R. auch geringer), Nein, sicher nicht. Die Kosten sind genauso unterschiedlich, wie im Westen auch. Auch dort gibt es Regionen, in denen das Leben preiswerter ist, als in München. Die Leute aus dem Osten die ich bisher kennengelernt habe sind alle aus dem gleichen Grund hierher gekommen und der war die hohe Arbeitslosigkeit. Das trifft es schon eher, überhaupt die Möglichkeit zu besitzen, seinen Lebensunterhalt selber zu bestreiten. Allgemein ist es schon ne Sauerei, dass die lokalen Unterschiede so groß sind. Bei soetwas müsste die Regierung stark regulierend eingreifen um überhaupt etwas dran zu ändern. Ein Mindestlohn wäre schonmein ein guter Anfang, selbst in den USA ham sie sowas und hier im Sozialstaat Deutschland bekommen sies nicht auf die Reihe, stattdessen werden mal Schnell Studiengebühren eingeführt.Was sollte eine regierung dazu tun? Welche Auswirkungen haben Mindestlöhne? Schaffen diese Arbeit oder vernichten Sie Arbeitsplätze? Was spielen Studiengebühren in diesem Zusammenhang für eine Rolle? Ich glaube, wenn man darüber reden möchte, muss man erstmal den gemeinsamen Bezug schaffen, also eine gemeinsame Basis, auf der Gespräche aufbauen können. Anders gesprochen ist die gesamte Situation im Auge zu behalten und nicht einzelne Vorwürfe oder Teilbereiche herauszunehmen: Über aktuelle Arbeitsmarktstatistiken brauche ich nicht viel zu schreiben. Die gibt es jeden Monat neu veröffentlicht. Über die wirtschaftliche Kraft (Wirtschaftswachstum) ebenso nicht. Die Zahlen und Statistiken sind objektiv betrachtet kein Grund, extrem traurig zu werden. Mal zu den Unternehmen (der suchenden Seite des Arbeitsmarktes): Viele Großunternehmen haben in den Neuen Ländern Zweigniederlassungen (meistens auf der grünen Wiese) gebaut. Die Techniken und Prozesse gehörten beim Aufbau zum aktuellen Weltniveau bei Erstellung der Werke. Einiger dieser Beispiele gibt es auch noch in der jüngeren Vergangenheit (Dresdner Chipfabriken, Autowerke in Leipzig etc.). Verbunden mit einer überdurchschnittlichen Produktivität sind natürlich eine unterdurchschnittliche Beschäftigtenanzahl (im Vergleich zu Werken, die etwas länger als 17 Jahre bestehen). Das Lohn- und Gehaltsgefüge orientiert sich meist an westlichen Tarifverträgen. Dort zu arbeiten, schafft also ein relativ stetiges und sicheres Einkommen verbunden mit der ständigen Erwartungshaltung des Beibehaltens einer überdurchschnittlichen Produktivität. Großunternehmen, die bereits vor der Wende existiert haben (in welcher wirtschaftlichen Konstellation auch immer), sind meist, soweit heute noch vorhanden, auf ein Zehntel Ihrer Belegschaft geschrumpft. Dort gilt das Gleiche, wie oben beschrieben (erwartete höhere Produktivität auch resultierend aus Neuinvestitionen und relativem Lohngefüge). Diejenige, welche aufgrund besonders geförderte Maßnahmen nur zeitlich begrenzt hier tätig waren, um häufig auch angeschlagene westdeutsche Konzernteile zu sanieren, lasse ich einfach mal aussen vor. (Beispiele gibt es genug) Der eigenentwickelte Aufbau Klein - und mittelständiger Betriebe (auch durch Förderungen und Subventionen) führt natürlich zu sehr vielen Gründungen und zu sehr vielen Insolvenzen. Das ist kein spezielles Problem vom Osten Deutschlands, sondern ist auch in Westdeutschland Alltag. Diese Unternehmen haben aber im Osten eine Geschichte, die maximal auf 17 Jahre Erfahrung (in dieser Wirtschaftsordnung) zurückgeht. Vor der Wende bestehende Geschäftskontakte (vornehmlich im östlichen teil dieser Welt) sind fast gänzlich zusammengebrochen, so dass man von den Beziehungen und Erfahrungen nicht weiter profitieren kann. Der Wettbewerbsvorteil dieser Unternehmen gegenüber Ihren westlichen Mitbewerbern ist nur preislich zu finden. Und das spiegelt unter anderem das zahlbare Lohnniveau wieder. Der Wettbewerbsnachteil ist die fehlende Eigenkapitaldecke. Es konnten (und können mit dem geringeren Angebotsvolumen) keine Reserven aufgebaut werden, so dass viele Unternehmen kaum über ein halbes Jahr hinaus finanziert sind. Viele Unternehmen haben volle Auftragsbücher, hohe Vorinvestitionskosten (für Material etc.) und lange Wartezeiten nach der Rechnungsstellung (Teilweise drei Jahre auf die Bezahlung von Großaufträgen zu warten, ist häufiger anzutreffen). Und etwas zu der Arbeitsanbietenden Seite: Viele sind vom Grunde her ordentlich ausgebildet. Viele haben sich nach dem Umbruch den neuen wirtschaftlichen Verhältnissen angepasst. Viele sind hier mit Familie und Haus verwurzelt. Viele kennen das Problem der Arbeitslosigkeit und dem was danach kommt (entweder aus eigenen Erfahrungen oder aus dem nahen Lebensumfeld). Was bleibt, wenn diese beiden Seiten aufeinander treffen? Anbieter gibt es viele, bei der Arbeitslosenquote keine Frage. Suchenden haben entweder nur wenig Geld oder wenig Budget zur Verfügung. Folglich wird es sich dort treffen, wo beide Seiten den Vertrag unterschreiben. Es ist IMO aber kein spezielles ostdeutsches Problem. Es ist ein Problem, welches häufiger im Osten anzutreffen ist. Der Kreislauf Einkommen/Kaufkraft/Dienstleistungen (vor allem Kultur) und Sparen schliesst sich damit wieder. In Regionen, wie im Süden Deutschlands, dort sieht es anders aus. Dort liegen die Verhältnisse zwischen Angebot und Nachfrage nach Arbeit auf deinem anderen Niveau und damit auch der oben beschriebene Kreislauf. Ändern kann man es in meinen Augen nicht: durch Mindestlöhnedurch höhere Gehaltsforderungen (mit dem Risiko der Arbeitslosigkeit)durch sonstige kurzfristig greifende Massnahmen. Ändern kann man es nur, indem man von politischer Seite die richtigen Rahmenbedingungen dafür schafft: Geld sinnvoll in Wirtschaft zu investieren (auch mittels Subventionen) - sprich gezielte Entwicklung von unabhängigen WachstumskerneWeg vom Giesskannenbetriebgezielte Subventionen von Arbeit (nicht von Arbeitslosigkeit / Arbeitsbeschaffungsmassnahmen / 1-Euro-Jobs / Weiterbildungen / Umschulungen)gezielte Förderung neuer weltmarktfähiger Technologien / Entwicklungengezielte Förderung von Entwicklungen in den neuen Ländern. Der Osten wird als Totschlaginstrument solange benutzt, wie hier nicht langsam grundlegende Änderungen in der kompletten Struktur der Wirtschaft entstehen und die Hoffnung berechtigt wird, seinen eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und trotzdem etwas sparen zu können. Alternativen? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Darth_Zeus Geschrieben 5. April 2007 Teilen Geschrieben 5. April 2007 Und ich sage es gleich und unmissverständlich dazu: '..in Absprache mit D_Z' heisst nicht, dass hier auf Teufel komm raus rumgeaast wird. Es wird nötigenfalls eine Warnung geben, dann ist dicht. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Akku Geschrieben 5. April 2007 Teilen Geschrieben 5. April 2007 Ich danke zunächst für die Umfangreiche Darstellung der angesprochenen Problematik. Ich denke, dass nun auch nicht eingeweihte Mitglieder einen Überblick bekommen, wie schwer diese Probleme wirtschaftlich und politisch zu lösen sind. Mir bleibt nur zu schreiben, dass wir besonders in den letzten Punkten vollkommen d'accord sind. Meiner Meinung nach muss es auch, und gerade, der westlichen Bevölkerung klar gemacht werden, wie wichtig der Aufbau Ost ist. Jedoch wird es meiner Meinung nach immer schwerer dies, nach 16 nur mäßig erfolgreichen Jahren, zu vermitteln. Solidaritätszuschlag wird in ganz Deutschland erhoben und in ganz Deutschland in wirtschaftlich schwachen Regionen verteilt. Wer in welcher Region davon profitiert (also wo die Gelder wirklich landen), ist sicher Diskussionswürdig. Dann scheint die Informationspolitik unserer Regierung(en) bisher versagt zu haben. Der "Soli" wurde laut den Medien und Sprachorganen der Politik einzig und allein zur Subventionierung und dem "Aufbau Ost" eingeführt. Leider hat man auch verschwiegen, dass dieser Zuschlag sowohl von der West-, als auch Ostdeutschen Bevölkerung erhoben wird. Letzteres führte leider teilweise zur, ich sage mal, nicht wohlgesinnten Stimmung gegenüber der Ostdeutschen Bevölkerung. Geld sinnvoll in Wirtschaft zu investieren (auch mittels Subventionen) - sprich gezielte Entwicklung von unabhängigen Wachstumskerne Ja, aber bitte wenn überhaupt in ausgewählte Grosskonzernen, dann bitte in solche, die nicht nach der Subventionierungsphase den Standort mit den allgemein bekannten Formeln verlassen. Es wäre ein leichtes auf politischem Wege die Unternehmen in derartigen Fällen zur Verantwortung zu ziehen. Dazu gehört allerdins der Mut sich Aufrecht hinzustellen und Drohung wie Jobabbau oder Standortflucht, zu widerstehen. Weg vom Giesskannenbetrieb d'accord. Führt nur zu den allgemein bekannten dubiosen Geschäftsabläufen gezielte Subventionen von Arbeit (nicht von Arbeitslosigkeit / Arbeitsbeschaffungsmassnahmen / 1-Euro-Jobs / Weiterbildungen / Umschulungen) Meiner Meinung nach eine, regional unabhängig, Grundvoraussetzung. gezielte Förderung neuer weltmarktfähiger Technologien / Entwicklungen Ebenfalls ein regional unabhängiges Problem. Das seit Jahren wenn nicht Jahrzehnten. gezielte Förderung von Entwicklungen in den neuen Ländern. Passiert das nicht schon seit 16 Jahren? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Der Kleine Geschrieben 5. April 2007 Autor Teilen Geschrieben 5. April 2007 Passiert das nicht schon seit 16 Jahren?Nein. Eine Förderung passiert seit 16 Jahren. Manchmal trifft es sogar die Richtigen (heutigen Weltmarktführer in Ihrer Branche - ich denke nur an die Windmühlenerbauer / äh erneuerbaren Energiehersteller). Auch dieses Statement soll nicht alleine auf den Osten bezogen sein. Viel zu häufig passiert eine Investition in den (märkischen) Sand, wobei man als Politiker in der Presse lächelt, wenn es schief geht, seinen Nachfolger dafür verantwortlich macht. Gezielte Förderung (also nicht mehr Subventionsaufbrauch egal für was, damit es neue Subventionen gibt) wird erst in der kürzeren Zeit angesprochen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Der Kleine Geschrieben 25. April 2007 Autor Teilen Geschrieben 25. April 2007 Hat jemand de Reportage 23.15 Uhr "Die Lohnsklaven" auf ARD gesehen? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
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