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Geschrieben

Guten Tag allerseits,

ich bin neu hier, aber ich hoffe, ihr könnt mir vielleicht einen guten ersten Eindruck bezüglich meiner Zweifel an meinem Arbeitszeugnis geben.
Es handelt sich um mein erstes richtiges Arbeitszeugnis, erhalten ca. ein Jahr nach der Ausbildung im selben Betrieb.

Mein Vorgesetzter ist mit mir vorab die Themen und Noten durchgegangen, hat für einige Kriterien die Note 1, für den Rest die Note 2 veranschlagt.
Den eigentlichen Text macht dann aber nicht der Vorgesetzte, sondern HR. Die machen das laut eigener Angabe nach mit einem Baukastensystem und formulieren nichts selbst.

Folgendes ist laut HR die Note 1-2 (hatte es dort nochmal angesprochen), aber mir kommt es zumeist eher vor wie eine 3-4. Auch mein Chef fand einige Formulierungen einfach irgendwie eigenartig. Ich habe das Zeugnis leider erst am letzten Arbeitstag meines Chefs erhalten, daher konnte er mir da nicht mehr weiterhelfen.

whPCOk3.png
 

Ich bin speziell stutzig bei:

dem Mangel an positiven Modifiern wie stehts, sehr, oder Superlativen (-sten) an vielen Stellen
"erlerdigt mit ... persönlichem Einsatz"
"bewältigt alle Aufgaben in guter Weise"
"praxisgerecht"
"zu unserer vollen Zufriedenheit" (aber dann mit "stehts" davor)

Die Geschäftsleitung drückte mehrfach den Wunsch aus, mich noch lange Jahre dabei zu behalten, aber das Zeugnis sieht mir nach was anderem aus.
Ich bin nicht sicher, ob der Laden mich an der Nase herumführt.
 

Vielen Dank fürs Draufschauen und liebe Grüße
deatine

 

Geschrieben

>Ich bin nicht sicher, ob der Laden mich an der Nase herumführt.

"Wir danken für die stets sehr gute, langjährige Arbeit ... wünschen ... weiterhin viel Erfolg"

Da steht doch, daß Deine Arbeit sehr geschätzt wird und man dich unbedingt behalten will. Der Grund für die Ausstellung ist genannt: Vorgesetzenwechsel (und nicht, daß man nahegelegt hat, sich weguzubewerben und zu dem Zweck ein Gefälligkeitszeugnis mitgibt). Die Beurteilungen weiter oben sind auch in keinem Widerspruch dazu, sind ein klares "gut" bei der Leistung und ein uneingeschränktes Lob für das Verhalten. Zuviele Superlative verhunzen ein Zeugnis stilistisch.

Sorry, das hört sich nach tiefer Unsicherheit an. Es gibt keinen Grund für paranoide Zeugnisinterpretation. Warum um alles in der Welt sollte man Dir in einem Zwischenzeugnis heimlich eine reinwürgen?!?

 

Geschrieben

2 mit Tendenzen zu 2+/1,5.

Alleine der Schlusssatz "viel Erfolg in unserem Unternehmen" sagt schon, dass sie dich behalten wollen!

Hier und da könnte man - wenn man unbedingt wollen würde - noch aufgrund Zeungissuperstlativ auf 2,5 abwerten. Ein zu gutes Zeugnis klingt dann aber wieder nach Wegloben und verhunzen wie @Wurmi schon schrieb das Zeugnis.

 

vor 5 Minuten schrieb Wurmi:

Es gibt keinen Grund für paranoide Zeugnisinterpretation.

Das ist normalerweise meine Baustelle hier ;) aber es fällt mir bei diesem Zeugnis schwer.

Geschrieben

Ist halt irgendein Generator, bei Interesse kannst du die Bausteine einzeln suchen. Sieht größtenteils nach 'gut' aus, mit einigen 'sehr gut' und vereinzeltem 'befriedigend', also insgesamt gut.

Falls die Firma dich nicht möchte, sagt sie das nicht über ein Arbeitszeugnis. Das Zeugnis hat irgendwer in HR mit Noten zusammengeklickt, das sieht die Geschäftsführung eh nie.

Geschrieben
vor 6 Minuten schrieb allesweg:

Alleine der Schlusssatz "viel Erfolg in unserem Unternehmen" sagt schon, dass sie dich behalten wollen!

Hier und da könnte man - wenn man unbedingt wollen würde - noch aufgrund Zeungissuperstlativ auf 2,5 abwerten.

Wie soll man dann eine bessere Beurteilung schreiben? "Allein die Vorstellung, daß diese Übermitarbeiterin unser Unternehmen verlassen könnte, würde den Aktienkurs schlagartig dramatisch einbrechen lassen. Die Geschäftsführung betet stets, immer, und jeden Tag in der Firmenkapelle, daß dieser Super-GAU niemals eintreten wird".

Geschrieben

@Wurmi ich bezog mich nicht auf den Schlusssatz sondern generell auf die einzelnen Formulierungen. Aber wenn man zwei getrennte Absätze unbedingt in direkten Zusammenhang setzen will, kann man das machen. Ist dann halt ...

Geschrieben (bearbeitet)
vor 16 Minuten schrieb allesweg:

@Wurmi ich bezog mich nicht auf den Schlusssatz sondern generell auf die einzelnen Formulierungen. Aber wenn man zwei getrennte Absätze unbedingt in direkten Zusammenhang setzen will, kann man das machen. Ist dann halt ...

Ich meine ja, daß man Zeugnisformulierungen nicht einzeln auf die Goldwaage legen sollte (mit Halbnoten), sonder eher "hermeneutisch" fragen sollte: Was will uns der Aussteller mit diesem Zeugnis sagen? In vorliegenden Fall: Eine sehr tüchtige und geschätzte Mitarbeiterin, mit der man immer sehr gut zusammengearbeitet hat und die man behalten möchte. Und für welche die Personalabteilung gerne ihre Pflicht getan hat und ein lesbares und realistisches Zeugnis erstellt hat.

 

Lesenswert: https://www.felser.de/arbeitsvertragkuendigungde/geheimcode-im-arbeitszeugnis-nur-hier-die-ganze-wahrheit/

Bearbeitet von Wurmi
Geschrieben

Hi nochmals,

Ich danke euch allen ganz herzlich. Das freut mich zu hören.

Zitat

Sorry, das hört sich nach tiefer Unsicherheit an.

Das kann ich so bestätigen, da ich ja keinerlei Ahnung habe. zB. ob eine Floskel, die sich komisch anhört, sich halt einfach nur komisch anhört, oder doch ziemlich ungünstiger Code für irgendetwas ist. 

Zitat

Warum um alles in der Welt sollte man Dir in einem Zwischenzeugnis heimlich eine reinwürgen?!?

Das würde ich so nicht nennen. Es hätte auch einfach sein können, dass sie mich wirklich nicht besonders gut finden, und da sonst immer nur nett drumrum gequatscht wird. Das habe ich auch schon live mitbekommen. Da fragt man sich sowas dann schon.

Es hat auch ein Ex-Kollege, der in seinem Bereich wirklich hoch geschätzt war, ein Zeugnis mit so absurd bombastischen Formulierungen erhalten, dass mich gewundert hat, wie viele Stufen darunter meines dann sein müsste. Vermutlich greift da dann wieder das Problem

Zitat

Ein zu gutes Zeugnis klingt dann aber wieder nach Wegloben und verhunzen wie @Wurmi schon schrieb

In jedem Fall, vielen Dank!!

Geschrieben
vor 1 Stunde schrieb deatine:

Das würde ich so nicht nennen. Es hätte auch einfach sein können, dass sie mich wirklich nicht besonders gut finden, und da sonst immer nur nett drumrum gequatscht wird. Das habe ich auch schon live mitbekommen. Da fragt man sich sowas dann schon.

Bei einer massiven Unzufriedenheitssituation wärst Du in peinliche Meetings zitiert worden, bei welchen ein Personaler dabei gewesen wäre. Erst dann hätte das HR die Unzufriedenheit überhaupt mitbekommen. 

Wenn Dein scheidender Chef Dir eine gute Beurteilung aufsetzt, dann gibt es aus Seiten der HR keinen Grund, daraus ein anderslautendes Zeugnis auszufertigen. Für HR ist das eine Routineaufgabe.

Ich persönliche meine nicht, daß ein "absurd bombastisches" Zeugnis wirklich materiell mehr wert als ein Zeugnis, das voller Lob ist. 

  • 2 Wochen später...
Geschrieben
Am 19.11.2020 um 11:37 schrieb Wurmi:

Ich meine ja, daß man Zeugnisformulierungen nicht einzeln auf die Goldwaage legen sollte (mit Halbnoten), sonder eher "hermeneutisch" fragen sollte: Was will uns der Aussteller mit diesem Zeugnis sagen? 

Das ist aber dem externen Leser wohl kaum möglich, denn er kennt die Person nicht.

Geschrieben
vor 5 Stunden schrieb WYSIFISI:

Das ist aber dem externen Leser wohl kaum möglich, denn er kennt die Person nicht.

Strengenommen nicht. Und doch interpretieren wir jeden Tag tausendmal vorbewußt/unbewußt die Aussagen der anderen, greifen dabei auf "Typisierungen" zurück (Daß das öfters mal nicht klappt, wird einem etwa peinlich bewußt, wenn ein Spaß oder ein Kompliment nach hinten losgeht).

Ich wollte eigentlich nur die Sorge der OP zerstreuen, daß in dem Zeugnis codiert ist, daß man mit der Mitarbeiterin unzufrieden ist und sie nicht behalten wolle. Dabei unterstelle ich eine Standardsituation: einen zufriedenen Chef, der beim Weggehen ein gutes bis sehr gutes Zwischenzeugnis mitgibt. Dabei wird der Chef wohl angekreuzt haben, welche Note er in welchen Bereich gibt und im HR wird das ganze dann per Mausklick in Text überführt haben. Das Zwischenzeugnis ist typischerweise nicht das Medium, um Unzufriedenheit oder gar Trennungswünsche auszudrücken.

Was mir manchmal ein bißchen zu wenig ist, ist die Annahme, daß es eine linkseindeutige Abbildung von nummerischen Zeugnisnoten auf bestimmte Prosa gibt und man von daher ganz primitiv vom Text immer eindeutig zur Zeugnisnote zurückfindet. Selbst wenn dem so wäre, wären nummerische Arbeitszeugnisnoten viel subjektiver als Noten bei einer Prüfung. Wie sehr der Chef mit einem zufrieden ist oder auch nicht hat regelmäßig mehr mit dem Chef als mit dem Mitarbeiter zu tun. Im Arbeitsleben gibt es keine Halbnoten, es gibt Leute, die in A, B und C Mitarbeiter differenzieren und es gibt Chefs, die in Luschen, Schleimer, Arbeitsbienen, Schwätzer und Leute, die einem gefährlich werden könnten unterscheiden.

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