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Geschrieben (bearbeitet)

Hallo liebe Community!

Ich war bisher immer ein stiller Leser des Forums und nun würde ich mich gerne auch einmal an euch wenden. Mein Anliegen wird vermutlich etwas umfangreicher, also schonmal ein großes Dankeschön an jeden der sich die Zeit nimmt, diesen Text zu lesen und eventuell sogar zu antworten.

Ich habe im September 2019 meine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung in einem kleinen mittelständischen Unternehmen mit ca. 15 Mitarbeitern in Nordrhein-Westfalen begonnen und befinde mich zurzeit im 3. Ausbildungsjahr.

Vor der Ausbildung habe ich nach meinem Fachabitur mit dem Schwerpunkt Informationstechnik 2 Semester Informatik studiert. Das Studium hat mir sehr viel Spaß bereitet und all meine teilgenommenen Prüfungen habe ich mit einer Glatten 1,0 bestanden.

Neben dem Studium hatte ich in meinem heutigen Ausbildungsunternehmen einen Nebenjob als Aushilfe im Lager des Unternehmens. In der Mittagspause bin ich dann immer wieder mit der IT-Abteilung in Gespräch gekommen, bis mir der Chef irgendwann angeboten hatte, in die IT-Abteilung zu wechseln und dort auszuhelfen. Dieses Angebot habe ich angenommen. Während des 2. Semesters und im Nebenjob habe ich dann ein großes Interesse für die Programmierung entwickelt und in mir kam immer mehr der Wunsch auf in diesem Bereich praktische Erfahrungen zu sammeln. Das hat auch mein heutiger Ausbilder damals mitbekommen und bot mir eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung an, da das Unternehmen während meines Nebenjobs bereits auf der Suche nach einem geeigneten Auszubildenen war. Nach langen schlaflosen Nächten und langem Grübeln habe ich mich dann für die Ausbildung entschieden, da mir zu damaligen Zeitpunkt die Arbeit in dieser Firma einen großen Spaß gemacht hat und ich den Nebenjob nur noch so lange hätte Ausführen können, bis das Unternehmen einen Azubi gefunden hätte.

Die ersten 6 Monate der Ausbildung waren super! Ich habe viel von meinem Ausbilder gelernt und durfte bereits frühzeitig die ersten kleinen Projekte mit Erfolg realisieren. Doch dann kam die Pandemie und der Beginn der Veränderungen. Mein Unternehmen hat es schwer getroffen und alle Beschäftigten mussten in Kurzarbeit gehen. In der Firma waren zum damaligen Zeitpunkt nur noch mein Chef, ein anderer Auszubildender aus einem anderen Fachbereich und meine Wenigkeit vertreten, die die Stellung im Unternehmen gehalten haben. Das zog sich über mehrere Monate hinweg. Eine Ausbildung hat zu diesem Zeitpunkt für mehre Monate im Grunde nicht stattgefunden. Wir Auszubildene wurden in diesem Zeitraum für Tätigkeiten eingesetzt, die nicht in unserem Aufgabenbereich lagen, aber laut dem Vorgesetzten notwendig gewesen sind, um den Fortbestand der Firma zu garantieren. Kurz darauf haben wir 6 Mitarbeiter in wichtigen Bereichen verloren, die von einer großen Firma aus der Region abgeworben wurden. Ersatz wurde im Anschluss nicht gefunden und wir Auszubildene und die Ausbilder mussten Aufgaben übernehmen, für die sie eigentlich nicht angestellt waren. Über mehrere Monate hinweg habe ich zum größten Teil in einem komplett fremden Fachbereich gearbeitet. Die wenigen Stunden, die ich mich dann doch einmal mit für meine Ausbildung relevanten Inhalte beschäftigen konnte, waren im Grunde nur Tätigkeiten, um die technische Infrastruktur des Unternehmens auf ein Minimum am Leben zu erhalten. Ich dachte das wäre nur für einen kurzen Zeitraum, doch ich habe mich gewaltig geirrt.

Die Situation zog sich noch bis zur Hälfte des 2. Lehrjahres durch. Ich hatte mich zum damaligen Zeitpunkt mit der IHK in Kontakt gesetzt, um einen Betriebswechsel zu organisieren und bewarb mich bei anderen Unternehmen für eine Übernahme. Ohne Erfolg.  Am Ende des 2. Lehrjahres habe ich dann bereits das erste Mal über einen Abbruch und die Wiederaufnahme meines Studiums gedacht.

Zu diesem Zeitpunkt habe ich die Hälfte der Ausbildung in einem fremden Ausbildungsbereich gearbeitet, die andere in meiner eigentlich vorgesehen IT-Abteilung. Das Verhältnis innerhalb der Firma verbesserte sich und ich entschied mich dann doch nicht für einen Abbruch, da ich die 2 Jahre nicht einfach wegwerfen und ich mich durchkämpfen wollte. Der erste Monat im 3. Lehrjahr lief dann wieder strukturierter ab und ich arbeitete wieder ausschließlich in der IT-Abteilung. Doch kurz darauf gingen erneut 2 Kollegen und seitdem werde ich wieder für die Hälfte meiner Arbeitszeit in einem anderen Fachbereich eingesetzt und habe mich, wie in den anderen Ausbildungsjahren auch schon, erneut beschwert und geriet in einen Streit mit meinem Chef. Ich habe mich dann anschließend gemeinsam mit dem anderen Auszubildenen an die IHK gewandt und eine Beschwerde eingereicht. Die Ausbilder wollten fast zum selben Zeitpunkt auch kündigen, sind dann aber aus mir unbekannten Gründen doch geblieben (vermutlich mehr Lohn). Der Chef hat von der Beschwerde erfahren und seitdem versucht er mir das Leben zu Hölle zu machen. Mittlerweile hat er schon andere Kollegen um den Finger gewickelt, die seine Spielchen mitmachen. Mein Ausbilder lässt sich dabei vom Chef unterbuttern und stellt sich mittlerweile hinter ihn. Auch beim Projektantrag wurden mir Steine in den Weg gelegt, die ich irgendwie überwunden habe.

Ich habe nur einen Ansprechpartner in meiner Firma bei einer lieben Kollegin. Bei ihr bin ich bereits in Tränen ausgebrochen, weil ich einfach nicht mehr kann. In wenigen Monaten stehen die Abschlussprüfungen an und ich weiß nicht, wie ich dieses Bestehen soll. Im Laufe der Ausbildung habe ich von Monat zu Monat die Lust am Programmieren und für den Beruf verloren. Anfangs habe ich versucht, dass verpasste Wissen auf Arbeit zuhause nachzuholen, doch mit der Zeit ging auch dort die Motivation flöten und ich war froh nach der Arbeit nicht am PC zu sitzen, um auch mal auf andere Gedanken zu kommen. Wenn ich allerdings für mehrere Wochen am Stück in der Berufsschule und nicht in der Firma war, kam die Motivation und die Leidenschaft fürs Programmieren immer wieder zurück und ich saß dann vor allem am Wochenende an eigenen kleinen Projekten. Sobald ich aber wieder auf Arbeit war, hat sich meine Stimmung und Motivation schnell wieder umgeschlagen.

Ich würde zum aktuellen Zeitpunkt die Ausbildung gerne abbrechen, mache mir aber große Sorgen was dies für meine Zukunft bedeutet. Mit meinem aktuellen Wissenstand müsste ich die Ausbildung verlängern. Aufgrund der Situation in meinem Unternehmen kommt das aber schon allein für meine psychische Gesundheit nicht in Frage. Jeder Tag in diesem Unternehmen ist eine Qual für mich. Natürlich werden jetzt viele sagen „Zieh es durch. Es ist nur noch ein halbes Jahr.“ oder „Eine abgebrochene Ausbildung macht sich nicht gut im Lebenslauf“ was mir natürlich bewusst, aber Aufgrund meiner Situation nicht so einfach ist.

Aktuell Plane ich mich für das Wintersemester 2022 für einen Studiengang der Medieninformatik einzuschreiben, da sich meine Interessen innerhalb der Informatik seit der Ausbildung geändert haben (u. A. leider weniger Interesse an der Programmierung, weshalb ein „reiner“ Entwickler Beruf nicht mehr in Frage kommt) und ich dennoch weiterhin ein sehr großes Interesse an der Informatik habe. Ich habe bereits mit der Studienberatung gesprochen und ein paar Einblicke in den Studiengang erhalten, welcher mich sehr anspricht. Leistungen aus meinem ersten Studium kann ich mir anrechnen lassen und ich würde auch einen Neustart im 1. Semester erhalten. Leider steht da noch die Frage der Finanzierung offen, dass ist aber eine andere Sache. Das Studium wäre in einer ganz anderen Stadt und würde mir generell noch mal einen Neustart ermöglichen. Ich bereue es sehr mein altes Studium für die Ausbildung abgebrochen zu haben, zumal mir das Studium eine Menge Spaß bereitet hat und meine Leistungen sehr gut waren.

Ich bin jetzt seit kurzem 23. Jahre alt und mache mir sorgen das mir der Abbruch der Ausbildung in der Zukunft großen Schaden zufügen kann, gleichzeitig macht mich die Ausbildung aber auch kaputt. Ich bin der Meinung das ich noch immer genügend Zeit habe, mich beruflich zu orientieren, da ich noch sehr jung bin. Mir wurde von Freunden und der Familie bereits gesagt das ich das tun soll was ich für Richtig halte und vor allem das was für mich und meine Gesundheit am besten wäre und wenn es heißt die Ausbildung nach dieser langen Zeit abzubrechen. Deshalb würde ich auch gerne mal die Sicht einer Außenstehenden Person hören wollen. Was würdet ihr in meiner Situation tun? Habt ihr eventuell ein paar aufmunternde Worte? Oder habe ich mir sogar mein eigenes Grab geschaufelt? Ich freue mich über jede ehrliche Antwort!

 

Liebe Grüße

Ben

Bearbeitet von BenNaui
  • BenNaui änderte den Titel in Abbruch der Ausbildung zum FIA im 3. Lehrjahr?
Geschrieben

Nein , nicht abbrechen. Fertig machen. Man muss für die Prüfung nicht perfekt programmieren können, Grundlagen reichen da aus. Du wirst es locker schaffen. Überleg doch ob du nicht zum WS wieder in der Uni einschreiben. Projekt solltest du vorher fertig haben und dann rechtzeitig die alten Prüfungen üben und dann wird das kein Problem sein.

Geschrieben

Moin,

ich habe insgesamt auch nur ein paar Tage für die IHK-Prüfungen gelernt und trotzdem mit Sehr Gut bestanden. Fürs Bestehen reichen locker Grundlagen, die du dir bis dahin noch mit alten Prüfungen aneignen kannst. Durchziehen und weitermachen!

Geschrieben

Die Frage, die sich stellt, wie sind denn Deine Kenntnisse? Für die IHK-Prüfung reichen Datentypen, Kontrollstrukturen, OOP aus für den Programmierteil. Dann noch UML Diagramme und SQL sattelfest sein und Bestehen ist absolut möglich.

Hast Du den Projektantrag abgegeben? Was machst du da denn?

Geschrieben (bearbeitet)

Die IHK-Prüfung stellt bei Vorbereitung meist kein großes Problem dar. Problematisch könnte höchstens das Projekt werden, aber auch das haben schon ganz andere geschafft, musst halt bisschen mehr Zeit und Mühe investieren , dafür hast du dann aber nen Berufssbschluss und kannst beruhigter studieren.

Bearbeitet von be98
Geschrieben (bearbeitet)

Wenn es deine Psyche belastet, hätte ich mir an deiner Stelle schon längst einen gelben Zettel über 6 Wochen Urlaub bei Doc Holiday geholt. Soll Cheffe gucken wo er bleibt wenn sich sein Azubi nicht um die Infrastruktur kümmern kann. Schuld und verantwortlich ist er letztendlich selber.

In diesen 6 Wochen würde ich lernen.  Lernen um die Prüfung zu bestehen. Anschließend die Prüfung meistern und dann nie wieder in dem Betrieb auftauchen. 

So wie ich das sehe, bist du an einem Punkt, wo dich die Interessen deinen Chefs nicht mehr jucken sollten, nur noch deine Eigenen!

Herzallerliebst aus Norddeutschland,

skinnyPIMP

 

Bearbeitet von skinnyPIMP
Geschrieben

Abbruch im dritten Lehrjahr sollte immer vermieden werden. Das wird dir negativ ausgelegt  in einem späteren Vorstellungsgespräch. Du hast bereits ein Studium abgebrochen und bei einem (erneuten) Abbruch in einem so späten Stadium wird ein Personaler zumindest die Belastungsfähigkeit usw. in Frage stellen. Auch wird sich ein Unternehmen überlegen, warum jemand eingestellt werden soll, der regelmäßig neue Interessen entdeckt und dann flüchtet. 

Der obige Absatz ist bewusst hart formuliert und soll zum nachdenken anregen…

Natürlich ist deine Situation suboptimal, die IHK-Prüfung wird das nicht beeinflussen. Die AE-IHK Prüfung (schriftlich) ist vom Schwierigkeitsgrad realistisch ein Kindergeburtstag, den man sogar ohne Berufsschule und Betrieb (und auch gut) bestehen kann.
Daher würde ich die Zeit absitzen oder wie Vorposter geschrieben hat, sich einen 6 Wochen gelben Urlaub organisieren und in der Zeit sich entsprechend für die IHK Prüfung vorbereiten.

Bezüglich Medieninformatik würde ich an deiner Stelle auch überlegen ob sich das finanziell rechnet. Man kann sich auch neben dem Job weiterbilden und nicht noch mehr Jahre in irgendwelchen Weiterbildungsstätten verschwenden (gerade im Hinblick auf Rentenpunkte und co. ist das nicht sehr förderlich).

Noch ein kurzer Gedankengang: 23J + 3-4J Bachelor und vllt 2-3J Master => evtl. 30J und dabei noch nie nennenswert in die Rentenkasse eingezahlt. Das wird später einschlagen wie ein Meteor, falls noch weitere Ausfallzeiten hinzukommen.



 

Geschrieben

Jo macht er halt nur Bachelor, das reicht im Bereich Informatik auch für dir meisten Jobs  Lass dir nichts einreden. Und auf die 6 Wochen Krankschreibung kannste auch verzichten, es sei denn es geht wirklich nichts mehr.

Geschrieben
Am 22.2.2022 um 19:05 schrieb BenNaui:

Die Situation zog sich noch bis zur Hälfte des 2. Lehrjahres durch. Ich hatte mich zum damaligen Zeitpunkt mit der IHK in Kontakt gesetzt, um einen Betriebswechsel zu organisieren und bewarb mich bei anderen Unternehmen für eine Übernahme. Ohne Erfolg.

Was war erfolglos? Deine Bewerbungen oder hat die zuständige IHK Unterstützung verweigert?

Dein Berichtsheft ist korrekt geführt und vom Ausbilder gegengezeichnet?

Was sagt der vertragliche Ausbilder zu dieser Situation?

Arbeitsrechtschutz vorhanden?

Geschrieben

Knüpfe mal an die Worte meines Vorposters an.

Wichtig wäre die Frage, wie die Chance zu einem aktuellen Projekt in dem aktuellem Betrieb wären.

Alle anderen Fragen sollten zunächst zurückstehen, bis dieser ein aber doch sehr wichtige Punkt eindeutig geklärt ist.

Stimme meinen Vorpostern dahingehend zu, dass ein Abbruch (wenn irgendwie vermeidbar) negativ ausgelegt werden könnte und vermutlich auch würde.

Leider ermangelt es ja bisher an Feedback.

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